"Der Mehrwert mobilen Bezahlens liegt in der Einbettung des Payment-Vorgangs in das Gesamterlebnis"
Interview mit Rakuten-CSO Erik Meierhoff
01.07.2015
Es gibt viele Payment-Lösungen auf dem Markt, die für sich in Anspruch nehmen, alle verschiedenen Kanäle zu integrieren. Warum aber konnte sich bisher keines dieser Angebote auf breiter Basis durchsetzen? Rakuten-CSO Erik Meierhoff spricht im Interview über die Faktoren, die dem Erfolg des kanalübergreifenden Payment noch im Weg stehen, und über das mobile Einkaufserlebnis.
Herr Meierhoff, Kunden nutzen heute ganz selbstverständlich die verschiedenen Kanäle, so wie es für sie gerade am angenehmsten ist. Warum konnte sich bisher noch kein kanalübergreifendes Bezahlsystem wirklich durchsetzen?
Der „echte“ Multichannel Commerce ist zumindest hierzulande noch nicht angekommen. Viele große Einzelhändler fangen gerade erst an, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und die neuen Services, die durch die Verbindung der Kanäle ermöglicht werden, auch ihren Kunden offensiv zu kommunizieren. Das sieht bei den kanalübergreifenden Bezahlsystemen ganz ähnlich aus. Die großen Player im Markt, gerade aus dem Bankensektor, haben bisher einfach nicht die Notwendigkeit gesehen, hier neue Innovationen zu launchen. Außerdem haben neue Services gerade in Europa aufgrund der technischen und regulatorischen Gegebenheiten oftmals Probleme, sich durchzusetzen. Ich denke, diese speziellen Hemmnisse sind der Grund, warum bisher noch kein kanalübergreifendes Bezahlsystem wirklich im Massenmarkt angekommen ist.
Tatsache ist außerdem: Gerade in Deutschland verfügen wir über eine sehr große Bandbreite an Bezahlmethoden, die sehr gut funktionieren und dem Kunden das bieten, was er braucht. Solange das Bezahlen zuverlässig und sicher funktioniert, sieht der deutsche Kunde nicht unbedingt eine Notwendigkeit, auf ein neues System umzusteigen. Diese deutsche Zurückhaltung ist aber kein neues Phänomen: Bis sich die Kartenzahlung in Deutschland wirklich flächendeckend im Handel durchgesetzt hat, hat es damals auch deutlich länger gedauert als in anderen Ländern.
Der deutsche Kunde ist also ziemlich schwer davon zu überzeugen, die Bezahlmethode zu wechseln. Deswegen muss ein neues, kanalübergreifendes Bezahlsystem einen deutlichen Mehrwert bieten und nicht nur die PIN-Transaktion am Terminal durch das Scannen eines QR-Codes ersetzen.
Und es gibt natürlich noch andere Rahmenbedingungen, die es solchen Bezahlsystemen schwer machen, wie zum Beispiel die Netzabdeckung der Mobilfunkbetreiber. Einfach gesagt: Solange ich hier in Deutschland nur in den Ballungszentren ein leistungsfähiges LTE-Netz habe, brauche ich nicht damit zu rechnen, dass alle Kunden auf einmal intensiv Mobile Shopping-Angebote nutzen.
Dann ist es für den Erfolg eines kanalübergreifenden Bezahlsystems also ausschlaggebend, welchen Zusatznutzen es dem Kunden bietet. Welche können das zum Beispiel sein?
Der Mehrwert, den das mobile Bezahlen bieten kann, liegt meiner Meinung nach in der Einbettung des Payment-Vorgangs in das Gesamterlebnis beim Einkauf, die „klassische“ Bezahlmethoden so nicht leisten können. Rakuten erprobt das gerade im sogenannten „Rakuten-Café“ in Tokio. Hier kann der Kunde eine Vielzahl von Dienstleistungen nutzen. Er kann seinen Kaffee trinken, auf seinem eReader kostenlos Tageszeitungen lesen und sogar Versicherungen abschließen und sein Bankkonto managen. Geht der Kunde in dieses Café, um sich dort mit Freunden zu treffen oder vielleicht in Ruhe ein Buch oder die Zeitung zu lesen, ist das Thema Payment bereits nahtlos in dieses Gesamterlebnis eingebettet. Möchte der Kunde zum Beispiel eine bestimmte Zeitschrift lesen, kann er sie direkt kaufen, ohne dafür erst das Portemonnaie zücken und zur Theke gehen zu müssen. Das wäre wieder ein zusätzlicher Schritt, der das Gesamterlebnis stört.
Gerade das ist die Chance, die sich durch eine neue, kanalübergreifende Payment-Lösung bietet: die komplett nahtlose Nutzererfahrung. In Japan wird das bereits sehr gut angenommen und ich denke, dass wir über kurz oder lang dieselbe Situation auch hier in Europa haben werden. Hierzulande muss man den Kunden nur eben deutlicher bewusst machen, welche Lösungen existieren und welche Vorteile ihnen die Nutzung bringt. Ein Beispiel ist PayPal, die sich als Payment-Dienstleister sehr stark bei den Endkunden positioniert haben, anstatt nur als Zahlmethode in den Online-Shops der Händler und am PoS präsent zu sein.
Um auch die mobilen Kunden zu erreichen, ist es wichtig, Einkaufserlebnis und Einkaufskomfort auch auf den mobilen Geräten gleich zu halten. Welche Möglichkeiten haben Händler, das mobile Einkaufserlebnis zu gestalten und sich so von der Konkurrenz abzuheben?
Meiner Meinung nach haben vor allem location based services das Potential, dem Kunden einen Mehrwert und damit ein besonderes Einkaufserlebnis zu bieten. Durch die genaue Ortung des Kunden auch in der Filiale wird es dem Händler ermöglicht, ihn zum Beispiel nach einer Suchanfrage auf dem Smartphone direkt zum entsprechenden Produkt zu führen. Das ist auf jeden Fall ein Service, mit dem ein Händler sich heute noch von der Konkurrenz abheben kann.
Rakuten hat festgestellt, dass gerade deutsche Kunden zwar über ihre mobilen Endgeräte durchaus nach Produkten suchen und Preise vergleichen. Der eigentliche Kauf wird aber in über 90% der Fälle noch am heimischen PC getätigt. Woran liegt diese „traditionelle“ Aufteilung der Kanäle in verschiedenen Phasen der Customer Journey?
Hierfür kann es viele Motivationen geben. Oft hat der Kunde auf seinem Mobilgerät zwar den ersten Kontakt mit einem Produkt, ist aber in dem Moment gerade unterwegs und kann sich nicht ausreichend auf die Informationen konzentrieren. Die tatsächliche Kaufentscheidung trifft der Kunde dann abends zuhause auf der Couch, nachdem er sich die Zeit genommen hat, sich wirklich mit dem Produkt auseinanderzusetzen. Das ist natürlich auch abhängig von der Art des Produkts.
Beim Rakuten-Marktplatz liegt zum Beispiel der Schwerpunkt der Produkte auf den Bereichen „Home&Living“ und „Garten/DIY“. Diese Produkte sind natürlich nicht die klassischen Auslöser für Impulskäufe, wie es sie zum Beispiel im Fashion-Bereich gibt. Sie werden eher nach reiflicher Überlegung und oft auch nur nach Absprache mit dem Partner gekauft. Dieses natürliche Kaufverhalten kann natürlich auch eine neue Technologie nicht von jetzt auf gleich ändern. Hier dürfen sich Händler auch nichts vormachen, was die Geschwindigkeit des Wandels angeht. Auch bei Rakuten in Japan entfallen aktuell zum Beispiel „erst“ 43 Prozent des Umsatzes auf Smart Devices. Der Trend geht jedoch ganz klar in diese Richtung.
Wenn wir vom kanalübergreifenden Einkaufen reden, ist der Touchpoint Mobile trotzdem auch heute schon essentiell, denn für den Kunden wird es immer unwichtiger, ob er ein Produkt online oder im Laden kauft. Die Chance bei Mobile liegt ganz klar in der Information und dem Anreiz, dem Wecken des Kaufimpulses. Wo dann tatsächlich gekauft wird, hängt von einigen weiteren Faktoren ab, sollte aber bei einem echten kanalübergreifenden Einkaufserlebnis auch nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Autor: Daniel Stöter; EuroCIS Erstveröffentlichung auf iXtenso.com