Der Autoteile-Onlinehändler ATP hat gemeinsam mit Witron eine modulare E-Commerce-Lösung für das neue Logistikzentrum in Pressath umgesetzt. Aus dem 12.200 m2 großen Logistikzentrum werden pro Tag mehr als 10.000 Pakete verschickt.
ATP (Auto-Teile-Pöllath Handels GmbH) gilt als der am schnellsten wachsende Automotive Webshop in Deutschland. Der erfolgreiche Online-Händler beliefert aktuell mehr als eine Million Kunden in Europa. Tendenz: steigend. Insgesamt 700.000 verschiedene Artikel rund um Auto-Ersatz- und Verschleißteile, Pflegeartikel, Elektronik-Parts, Tuning-Elemente, Werkzeug und Zubehör führt das inhabergeführte Unternehmen im Sortiment. Allein im E-Commerce-Verteilzentrum am Standort Pressath lagern etwa 30.000 unterschiedliche Positionen.
Diese Artikel schnell zum Kunden zu bringen, hat im Onlinehandel oberste Priorität. „Wir profitieren von den vielen Vorteilen der automatisierten, hochleistungsfähigen Logistiktechnologie der WITRON Logistik + Informatik GmbH“, so Dr. Stefan Uebelacker, Direktor Vertrieb, Marketing & Kundenbetreuung bei ATP. Aufgrund der Flexibilität der Anlage spiele es keinerlei Rolle, ob kleine, mittlere oder große Bestell-Volumina abgewickelt werden. Ebenso sei eine effiziente Auftragskonsolidierung gewährleistet, unabhängig davon, aus welchen Artikeln sich der Kundenauftrag zusammensetzt.
Das permanent wachsende Artikelspektrum und die hohe Anzahl an Durchlaufartikeln logistisch optimal abzuwickeln, ist eine der großen Herausforderungen für ATP. „Heute sind wir in der Lage, aus diesem extrem breiten und inhomogenen Produktportfolio unsere Kunden schnellstmöglich und im Prinzip fehlerfrei zu beliefern“, so Dr. Uebelacker. „Ein Großteil der Artikel hat dabei bereits einen konkreten Auftragsbezug, die Durchlaufartikel werden dem Auftrag direkt vor dem Warenausgang vom System zugeführt.“
Alle Sendungen und Pakete müssen für eine taggenaue Auslieferung getaktet werden. Same-Day-Delivery spiele für die ATP-Kunden, die zu 85 Prozent aus Deutschland und zu 15 Prozent aus der EU inklusive Schweiz und Norwegen kommen, zurzeit nicht die oberste Rolle. Derzeit reiche es vollkommen aus, im Verlauf des folgenden Tages beliefert zu werden. „Ziel ist es, dass alle Kunden, die bis 15 Uhr bestellen, schon am nächsten Tag ihre Ware erhalten.“
Hohe Skalierbarkeit der Anlage
Der von Beginn an auf eine hohe Modularität, Erweiterbarkeit und Flexibilität ausgelegte Realisierungs-Ansatz hat sich in der Praxis bewährt: Aufgrund des starken Wachstums von ATP wird derzeit in einer zweiten Baustufe das Automatische Kleinteilelager (AKL) während des laufenden Betriebs um 14.400 zusätzliche Behälterstellplätze erweitert sowie die Anzahl der Pickplätze von acht auf zwölf ausgebaut. Die AKL-Kapazität erhöht sich dadurch von 50.000 auf 65.000 Stellplätze.
WITRON-Systemlösungen OPS und EPS im Einsatz
Das automatisierte Kommissioniersystem OPS ist eine Integration von AKL, Verteiler-Loop über Fördertechnikstrecken und vorgelagerten Kommissionierplätzen. Die Artikel werden im OPS an den stationären, multifunktionellen Kommissionierplätzen nach dem Ware-zum-Mann-Prinzip auftragsbezogen und sequenziert für die Kommissionierung bereitgestellt.
Bei ATP kommissionieren die Mitarbeiter an acht Arbeitsplätzen (eine Erweiterung auf zwölf Arbeitsplätze wird aktuell umgesetzt) dialoggeführt „Pick & Pack“ direkt in den Versandkarton. Hierfür stehen acht verschiedene Kartongrößen zur Verfügung. Die Vorgabe der für jeden Auftrag optimalen Kartongröße erfolgt systemseitig.
Die Konsequenz: Es wird keine „Luft“ transportiert und somit werden Transportkosten gespart. Ebenso werden an den Arbeitsplätzen Lieferpapiere und Rechnung beigelegt. Die Kommissionierleistung liegt bei 100 Orderlines pro Arbeitsplatz pro Stunde.
Im EPS erfolgt die ergonomische Kommissionierung von schweren und sperrigen Artikeln nach dem Prinzip „Mitarbeiter-zur-Ware“, via Pick-Mobil direkt im Palettenhochregallager – ausgestattet mit 12.200 Stellplätzen. Auch das EPS ist modular aufgebaut und kann bei Bedarf erweitert werden. Die Pick-Mobile fahren IT-gesteuert zum jeweils richtigen Pickplatz, der Pick-Container ist immer auf das richtige Ablagefach ausgerichtet.
Ebenso orientiert sich der Mitarbeiter anhand eines Bildschirm-Dialoges. Die Anzahl der Pick-Menge wird parallel dazu nochmals in einem Display in der Brüstung des Fahrzeugs angezeigt. Kommissionierfehler werden dadurch praktisch vermieden.
Derzeit drei EPS-Kommissionier-Fahrzeuge und vier vollautomatische Nachschub-Fahrzeuge arbeiten in dem siebengassigen Palettenlager zusammen – bis zu 100 Orderlines pro Fahrzeug und Stunde können auf diese Weise abgewickelt werden. Dabei werden alle Artikel des Sortiments in jeder Gasse bereitgestellt. Alle Modulgassen arbeiten unabhängig voneinander, die komplette Fertigstellung eines Auftrags kann in einer Gasse erfolgen.
Die Kommissionierung in flexible Pick-Container mit bis zu sechs Ebenen erlaubt eine parallele Kommissionierung mehrerer Aufträge nach dem Multi-Order-Picking-Prinzip. Die Verpackung in Versand-Kartons der im EPS kommissionierten Artikel erfolgt an insgesamt zwölf Packplätzen, die direkt an die Palettenfördertechnik angebunden und mit einem automatischen Karton-Abtransport versehen sind. Auch an diesen Arbeitsplätzen wird den Mitarbeitern immer die für den jeweiligen Auftrag richtige Kartongröße systemseitig vorgegeben.
Order Consolidation Buffer für maximale Auftragsverdichtung
Im Rahmen der aktuell durchgeführten zweiten Baustufe wird direkt vor dem Warenausgang ein sogenannter Order Consolidation Buffer (OCB) installiert, der über 420 Stellplätze verfügt und in dem zukünftig eine Zwischenpufferung von fertig kommissionierten Behältern aus dem OPS vor der abschließenden kunden- und tourengerechten Auftragskonsolidierung stattfindet. So wird eine nochmals höhere Verdichtung der Aufträge in Bezug auf Kunde und Tour erreicht.
Sämtliche Pakete erhalten abschließend in zwei Packlinien ihr Versandlabel sowie eine maximale Ladungssicherung, bevor sie über Fördertechnik, Sorter und Teleskop-Verladestationen in den LKW des jeweiligen Dienstleisters gelangen. Auch hinsichtlich der Packlinien und im Versandbereich wurde schon in die Zukunft gedacht – Erweiterungsmöglichkeiten sind vorgesehen.
Eine zentrale Rolle bei der Realisierung von flexiblen E-Commerce-Logistikkonzepten spielt der sogenannte E-Commerce-Leitstand. Diesen haben WITRON und ATP gemeinsam definiert, um somit die Logistikprozesse auf die Anforderungen des Multi- beziehungsweise Omnichannel-Zeitalters auszurichten.
„So kann ATP schnell und flexibel auf sich permanent ändernde Kundenwünsche und Geschäftsprozesse reagieren“, erklärt Josef Gallersdörfer, Prokurist und Mitglied der Geschäftsleitung bei WITRON. „Denn die hohe Dynamik des Geschäfts muss durch modernste IT-Systeme funktionell abgebildet werden.“ Für einen weitgehend eigenständigen Betrieb der Logistik-Anlage bereitet die von WITRON entwickelte Leitstands-Software eine Vielzahl an Informationen aus dem Lagerverwaltungssystem auf, stellt diese transparent dar und leitet daraus Aktions- und Entscheidungs-Empfehlungen für ATP ab.
Leistungsstarke IT auch im Service-Umfeld
Eine leistungsstarke IT sorgt jedoch nicht nur für Transparenz im operativen Geschäft, auch der Anlagen-Service und somit die Anlagenverfügbarkeit profitieren davon. So können die ATP-Techniker bei Störungen mittels Smartphone über WLAN und an den Fördertechnikstrecken angebrachte Barcodes zur Identifizierung der Elemente direkt mit der Anlage kommunizieren und auf alle relevanten Informationen zurückgreifen, die zur Störungsbehebung benötigt werden.
Auch Barverkauf im Gesamtprozess integriert
Ein weiteres Highlight der logistischen Abwicklung in diesem Projekt ist die Integration des Barverkauf-Geschäfts am Standort Pressath. „Mit dem Barverkauf an einer ‚Ladentheke‘ im Logistikzentrum reagieren wir auf den Wunsch unserer Kunden, nicht nur als Online-Händler sondern auch direkt in der Region als Fachhändler präsent zu sein“, sagt ATP-Vertriebschef Dr. Uebelacker. „Außerdem ist das für uns ein guter Test, ob beziehungsweise wie Stationär- und Onlinegeschäft grundsätzlich miteinander verknüpft werden können.“ Dabei werden die Artikel für die Selbstabholung über die automatisierten Logistiksysteme ausgeschleust und innerhalb kurzer Zeit an der Ladentheke bereitgestellt.
Autor: Thomas Wöhrle, Fachjournalist, Karlsruhe Erstveröffentlichung auf www.iXtenso.com