13.02.2012
Innovation an der Kasse
Das bargeldlose und immer öfter auch kontaktlose Bezahlen mit Karte oder Handy ist auf dem Vormarsch. Dennoch zahlen viele Kunden nach wie vor lieber mit Scheinen und Münzen. Die Bundesbank hat sich jedoch aus der direkten Bargeldversorgung für den Handel weitgehend zurückgezogen. Nicht nur aus diesem Grund haben kleine Geschäfte wie auch große Filialisten ein starkes Interesse an neuen Angeboten, die beim Umgang mit Bargeld die Kosten senken und gleichzeitig die Sicherheit erhöhen.
Wartezeiten an der Kasse sind ein Dauerthema auf der EuroCIS. Bargeldloses Bezahlen sei viel schneller als Bargeld, sagen Banken, Kreditkartengesellschaften und Zahlungsabwickler. Aber nach wie vor wollen viele Kunden bar zahlen. Wechselgeld-Ausgabeautomaten können das Kassieren am Kassenplatz beschleunigen. Manche Händler trennen Scannen und Bezahlen und schicken die Kunden zum Zahlen an spezielle Automaten, wo sie ihren Kassenbon selbst scannen und dann mit Karte, Scheinen oder Münzen zahlen können.
Bargeld ist jedoch nicht billig. Die Beschaffung bei der Bank kostet Geld, ebenso das Befüllen der Kassen, das Zählen und Transportieren nach Kassenschluss. Der Handel setzt immer mehr auf Automatisierung – an der Kasse ebenso wie im Backoffice, wo die Bargeldbearbeitung effizienter und schneller werden soll. Cash-Recycling, die Wiedereinspeisung von eingenommenem Wechselgeld in den eigenen Geldkreislauf, senkt die Kosten.
Banken, Transporteure und Hersteller kooperieren
Werttransportfirmen sehen neue Chancen für neue Dienstleistungen. Es entstehen neue Kooperationen zwischen Händlern, Prozessdienstleistern und Banken. So bietet die DZ Bank der Genossenschaftsbanken zusammen mit der Cash Logistik Security AG dem Handel eine Tresor-Lösung zur Rationalisierung des Umgangs mit Bargeld an. Der Tresor zählt das Geld automatisch – und damit geht auch das Risiko sofort an die Bank über. Der Händler erhält schneller als bisher die Gutschrift auf seinem Konto. Deichmann und Karstadt waren die ersten großen Filialisten, die das Angebot flächendeckend nutzten. Die Bank tritt als solventer Vertragspartner auf, Cash Logistik betreut und leert den Geldschrank. Abgesichert werden die Bargeldgeschäfte durch die ebenfalls zur genossenschaftlichen Finanzgruppe zählende R+V Versicherung.
Rückenwind spüren auch die Produzenten von Geldbearbeitungsmaschinen. Ihre Geräte erkennen Falschgeld, sortieren Noten und Münzen, sorgen für sichere Verwahrung und für die Ausgabe der benötigten Stückelungen vor der Ladenöffnung ans Kassenpersonal. Je weniger Menschen mit dem Bargeld zu tun haben, desto sicherer ist das Verfahren, sagen sie. Doch Investitionen haben hier zwei Seiten. Neben der Sicherheit zählt auch die Kostensenkung. Der Umgang mit Geld ist Vertrauenssache. Je weniger Personal damit betraut wird, desto mehr kann gespart werden. Was den Handel freut, sehen Arbeitnehmervertreter mit Argwohn.
Filialisten installieren neue Geräte
Im November 2011 wurde bekannt, dass Kaufland europaweit alle Standorte, die in den nächsten Jahren neu gebaut werden, mit Geldbearbeitungsautomaten des schwedischen Herstellers Scan Coin ausstatten will. Später sollen auch bestehende Filialen nachgerüstet werden. Die Mitarbeiter diskutieren die Folgen im Kaufland-Forum
im Internet: „Nur noch Selbszahlkassen und dann solltet ihr mal fragen was eine Kassiererin ohne Verantwortung für Geld verdienen wird. Und dann wird das Kassenbüro ausgedünnt, da hilft uns keine Teamkultur, Umfrage oder Mindestlohn. Wir sind das 'Bauernopfer'.”
Kaufland mit Sitz in Neckarsulm gehört wie Lidl zur Schwarz-Gruppe und betreibt Lebensmittelmärkte und SB-Warenhäuser. Gunnebo – wie Cash Coin aus Schweden – rüstet Lidl in Schweden mit seinem geschlossenen Bargeldhandling-System aus. Wie viele andere Hardware-Lieferanten sieht sich Gunnebo längst als umfassender Sicherheitsanbieter und liefert seine Cashhandling-Lösung SafePay an den Discounter.
Als weltweit erster Handelskunde setzte Ikea die neue Cineo genannte Lösung von Wincor Nixdorf zur Automatisierung der Bargeldbearbeitung in seinen Filialen ein. Nach erfolgreicher Pilotierung in Frankreich und Deutschland ist Cineo bereits in über 40 Stores in zehn Ländern installiert, teilt Wincor mit. Dabei wird das eingenommene Bargeld nach Schichtende im Kassenbüro automatisch verifiziert und revisionssicher in den Speichermedien der Cineo-Geräte abgelegt. Zu Schichtbeginn erhalten die autorisierten Mitarbeiter genau definierte Mengen an Noten und Münzen. Als Speichermedien dienen Kassetten, die auch zum Abtransport des Geldes durch Werttransportunternehmen genutzt werden können. Wincor verspricht mehr Sicherheit und weniger Zeitaufwand. Die Lösung besteht aus Consulting, Hardware, Software und Serviceleistungen.
Hersteller werden Prozessberater
Dieser Trend lässt sich schon seit Jahren auf der EuroCIS beobachten: Allein mit neuen Geräten ist der Handel kaum zu gewinnen. Die Hersteller müssen auch leicht anpassbare Software offerieren und sich zu Unternehmensprozessberatern entwickeln. Sie müssen selbst oder durch Partner den Kundenservice sicherstellen – und das meint nicht nur die Geräte, sondern auch Software-Schulungen für die Anwender.
„Wir wollen die Abläufe optimieren und dadurch den Aufwand für manuelle Arbeiten verringern, Fehler bei der Kassenabrechnung minimieren und die Bargeldsicherheit erhöhen“, fasst Günter Heppes, IT-Leiter bei Bartes-Langness, die Anforderungen zusammen, die auch andere Händler so definieren. Im Mai 2010 startete Bartels-Langness zunächst in drei norddeutschen famila-SB-Warenhäusern seinen Testlauf mit Cineo von Wincor, 2011 wurden weitere Häuser einbezogen.
Umfassender Überblick auf der EuroCIS
Zu den EuroCIS-Ausstellern 2012 im Bereich geschlossener Bargeldbearbeitung gehört auch der japanische Anbieter Glory, der dem Handel seine Lösung unter dem Namen Cashinfinity vorstellt. Seit Ende Oktober sind neue Geräte für den POS und das Backoffice mit eigener Software auf dem Markt. Glory Europe, gegründet 1991, hat seinen Sitz in Frankfurt am Main.
Weitere Aussteller bieten Cash-Management-Lösungen an. Interessant sind auch Firmen, die sich auf einzelne Komponenten wie Panzerschränke, Tresore, Kassenladen und Geräte zum Zählen und zur Falschgeld-Erkennung spezialisiert haben. Diese lassen sich ebenfalls zu umfassenden Lösungen zur Bargeldbearbeitung kombinieren. Spannend wird es auch bei den Anbietern von Kassensystemen. Die EuroCIS ist auch beim guten alten Bargeld einen Besuch wert.
René Schellbach, EuroCIS.com