30.04.2012
Banken wurden immer sicherer, Banküberfälle lohnen sich immer weniger. Der Handel rückt ins Visier der Täter. Oft wird das Personal vor der Ladenöffnung oder nach der Schließung abgepasst und zur Herausgabe von Bargeld gezwungen. Oder die Täter brechen nachts ein. Was der Handel tun kann für mehr Sicherheit von Mitarbeitern und Kunden – das zeigt jedes Jahr die EuroCIS.
In der Nacht zum 14. April 2012 sind unbekannte Täter in Mettingen bei Osnabrück einen Einkaufsmarkt eingebrochen. Die Tat geschah laut Polizei „zwischen 20 Uhr und 7 Uhr morgens“. Die Täter erbeuteten etwa 400 Schachteln Zigaretten und einen dreistelligen Bargeldbetrag. Ein Tresor, der sich in einem Büro befand, hielt ihnen jedoch stand. Eine Alarmanlage hätte sie womöglich aufgehalten, eine Video-Anlage hätte wertvolle Bilder liefern können.
EuroCIS zeigte neue Kameras
Bei der EuroCIS stellten verschiedene Hersteller neue Kameras vor. Netzwerk-Kameras verdrängen die analogen Modelle immer mehr. Dennoch gehen Experten davon aus, dass es noch lange ein Nebeneinander geben wird. Im Netzwerk können Kameras gesteuert und gleichzeitig mit Strom versorgt werden, was die Verkabelung einfacher macht. Über das Netz sind sie via Internet preisgünstig auch aus der Ferne zu steuern und intelligente Software kann das Überwachungspersonal auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam machen.
Man unterscheidet die Kameras nach Einsatzort: draußen, drinnen oder drinnen und draußen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Lichtverhältnisse. Bei Überwachung in der Nacht ist hohe Lichtempfindlichkeit gefragt, bei Gegenlicht durch die Sonne muss die Blende die Lichtmenge auf dem Bildsensor reduzieren. Eine Kamera für den Außenbereich benötigt außerdem ein Gehäuse, das vor Wind und Wetter und vor Vandalismus schützt. Viele Kameras schlagen Alarm, wenn jemand die „Sicht“ durch ein Tuch oder mit Sprühfarbe mutwillig verdeckt.
Kameras können fest ausgerichtet sein, mit fester oder variabler Brennweite. PTZ-Kameras sind dagegen beweglich. Die englische Abkürzung steht für Pan-Tilt-Zoom – neigen, schwenken, zoomen. Mit dem Zoom können sie vom Überblick über einen Parkplatz oder einen weiten Bereich des Ladens bis hin zu Detail-Aufnahmen eingesetzt werden. Die Hersteller versprechen dem Handel, dass mit HD schärfere Bilder und mehr Details möglich sind. Nicht immer sollen die Betroffenen sehen, in welche Richtung eine Kamera gerade „schaut“. In diesem Fall sind „Dome“-Kameras ideal. Sie befinden sich in einem Kuppelgehäuse, fallen damit kaum auf und lassen sich in der Kuppel unbemerkt von außen drehen und sind gut vor Vandalismus geschützt.
Bei extremen Tele-Aufnahmen droht Verwackeln, etwa durch Wind oder Erschütterungen. Dagegen helfen elektronische Bildstabilisatoren. Es gibt auch Kameras, bei denen man einen Teil des Bildes abdecken kann, um die Privatsphäre der beobachteten Personen zu wahren. Dies funktioniert sogar, wenn die Kamera geschwenkt wird oder zoomt. Mit der Technik kann man auch Fehlalarme reduzieren, ausgelöst beispielsweise durch sich bewegende Äste. So gut die Kameras auch sind, es kommt darauf an, was man mit ihnen macht. Entscheidend dabei ist gut geschultes Personal.
Interview mit Stephan Seifert, Geschäftsführer Vertrieb und Service Gunnebo Deutschland
Tresore, Sicherheitstüren, Geldzählmaschinen – vieles im Bereich Sicherheit kommt aus dem Bankensektor. So ist es auch beim schwedischen Hersteller Gunnebo. Bei dessen deutscher Tochter begann Stephan Seifert 2002 im Vertrieb für Banken und Sparkassen. Er übernahm 2009 die Leitung und verantwortet seit Jahresbeginn 2012 als Geschäftsführer die Bereiche Vertrieb und Service für Banken und den Handel. Er glaubt, dass Handel, Banken und Transporteure beim Umgang mit Bargeld immer enger zusammenarbeiten werden. Professionelles Cash-Management lohne sich auch für kleinere Händler.
Wie entwickeln sich die Einbrüche im Handel in Deutschland/Europa?
Noch sind die endgültigen Statistiken für 2011 von den Behörden nicht veröffentlicht. Aus einigen Bundesländern werden jedoch vorläufige Zahlen gemeldet, die teilweise einen deutlichen Anstieg vermuten lassen. So berichtet das Mittelstandsmagazin „Berlin Maximal“ von einer Zunahme von fast einem Viertel bei Einbrüchen in Privat- und Geschäftshäuser für 2011. Die Polizei weist zudem in ihren Präventionsstellen auf die Risiken für Händler hin. Dabei zeigen die Erfahrungen der Beamten, dass Läden immer wieder Ziel von Einzeltätern und überregional agierenden Einbrecherbanden werden. Retailer müssen sich deshalb beständig mit den Themen Einbruch und dem entsprechenden Schutz davor beschäftigen.
Sind Supermärkte und Geschäfte zu leicht zu knacken? Tut der Handel zu wenig für die Gebäudesicherheit?
Beim Thema Sicherheit stehen oft Ladendiebstahl und Inventurdifferenzen im Fokus der Aufmerksamkeit. In diesen Bereichen wird viel getan. Wir merken aber auch in Gesprächen mit Kunden und Verantwortlichen, dass der Einbruchsschutz nach und nach wieder mehr an Bedeutung gewinnt. Das gilt besonders, seitdem sich die Unternehmen in der Bargeldlogistik umorientieren müssen. Aufgrund des fortschreitenden Rückzugs der Bundesbank aus der Bargeldbearbeitung suchen Händler nach anderen und effizienten Wegen im Cash-Management. Eine Lösung schaffen neue Prozesse in der Bargeldver- und -entsorgung über Recycling- und Deposit-Systeme im Backoffice, in denen das Geld bis zur Abholung sicher lagert. Ein guter Einbruchsschutz und sichere Zutrittssysteme sind die notwendige Basis für solche Lösungen. Wo Bedarf besteht, investieren die Unternehmen deshalb in Sicherheitssysteme.
Große Filialisten holen sich die Bank ins Haus. Wann lohnt sich die Investition in Geldeinzahlautomaten und wie funktionieren sie?
Aufgrund neuer, intelligenter Deposit-Systeme sowie Geldein- und Auszahlautomaten werden effizientere Abläufe im Bargeldbereich möglich. Beispielsweise können Händler mit dem Banknoteneinzahlsystem „SafeCash Retail Deposit smart“ das Handling von Geldscheinen optimieren. Bei Kassenschluss zahlen die Kassierer die Banknoten aus der Kassenlade in das System ein. Die Scheine werden automatisch gezählt und auf Echtheit geprüft. Ein aufwändiger Kassenabschluss mit manuellem Zählen und Vieraugen-Prinzip entfällt. Die Noten lagern bis zur Abholung in einer einbruchsicheren Tresoreinheit direkt im System. Über Schnittstellen kann die Lösung mit einem Banknetzwerk verbunden werden und eine sofortige Wertstellung der eingezahlten Summe auf dem Geschäftskonto erfolgen. Um die Abholung und Kontenklärung kümmern sich Wert- und Prozessdienstleister in Kooperation mit der Geschäftsbank.
Interview mit Ralph Siegfried, Consultant Business Development Retail, Axis Communications Deutschland
Video-Überwachung gehört zum Standard in der Vorbeugung gegen Diebstahl und Einbruch. Aber hier tut sich einiges. Die Kameras werden immer leistungsfähiger und können mehr als nur überwachen. Darauf weist Ralph Siegfried von Axis Communications im Interview hin. Intelligente Kameras können helfen, die Wartezeiten an der Kasse vorherzusagen oder das Kaufverhalten der Kunden zu analysieren. Damit, so Siegfried, lohnt sich Video mittlerweile auch für Händler, denen die Kameras allein unter dem Aspekt Sicherheit bislang zu teuer waren.
Sie sehen sich als weltweiter Marktführer im Bereich Netzwerk-Video. Wie entwickelt sich dieser Markt?
Die Märkte weltweit, in Europa und in Deutschland entwickeln sich aus unserer Sicht parallel und sehr dynamisch. Unterschiede zeigen sich bei den Entscheidungskriterien. So steht in den USA und Asien nach wie vor die Sicherheit im Vordergrund, während in Europa die Einzelhändler mehr und mehr Wert darauf legen, dass Video zusätzlich auch für die Bereiche Vertrieb und Marketing oder zur Optimierung von Prozessen einsetzbar ist. Getreu dem Motto: „Video sieht alles – warum sollte man es also „nur“ für die Sicherheit einsetzen“.
Ja, Axis ist Weltmarktführer bei Netzwerk-Video. Unser Ziel ist es, bis 2013 auch Nr.1 im Gesamt-Video-Markt zu sein – also für Analog- und Netzwerk-Video. Hierfür investieren wir überproportional in unsere Entwicklung und zusätzliche Ressourcen.
Sie wollen den Wechsel von analoger zu digitaler Videoüberwachung vorantreiben. Lohnt sich digital für jeden Händler?
Der Umstieg von analog zu digital ist bereits in vollem Gang. Die meisten größeren Einzelhändler setzen bereits bei neuen Läden oder bei Umbauten auf Netzwerk-Kameras, und die Geschwindigkeit nimmt stetig zu. Auch in bestehenden Filialen werden existierende, analoge Installationen mit Netzwerk-Kameras ergänzt, um in kritischen Bereichen die Vorteile hochauflösender Bilder und Videos zu nutzen. Die Integration erfolgt dabei über eine breite Palette von verfügbaren Encodern aus unserem Haus.