Möchten Kunden überhaupt direkt beim Hersteller kaufen?
Es gibt inzwischen verschiedene Studien, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Man geht davon aus, dass zwischen einem und drei Prozent der Kunden sehr gerne direkt beim Hersteller kaufen wollen – Tendenz steigend. Diese Kunden versprechen sich davon insbesondere einen besseren und persönlicheren Service und sind im Regelfall auch bereit, deutlich mehr Geld pro Einkauf auszugeben. Es sind also eher emotionale Gründe, aus denen Kunden direkt beim Hersteller kaufen möchten.
Insofern ist es für die Hersteller natürlich wichtig, den Wunsch dieser Kundengruppe zu erfüllen. Und man muss ganz klar sagen: Die Hersteller, die als erstes reagieren und mit auf ein solches Vertriebsmodell setzen, sichern sich innerhalb ihrer Branche einen wichtigen Vorsprung. Die aktuelle Entwicklung zeigt ganz klar: In absehbarer Zeit wird der eigene Online-Direktvertrieb auch für Hersteller zum Standard und damit unverzichtbar werden. In einigen Branchen ist die Entwicklung ja schon so weit – kein Fashion-Hersteller kann es sich heute noch leisten, nicht auch selbst online zu verkaufen.
Wie können Hersteller die Potentiale des Online-Vertriebs nutzen, ohne dass sie sich in eine unangenehme Konkurrenzsituation zu ihren Partnern aus dem Handel begeben?
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Zusammenarbeit. Auch die Ergebnisse unserer Studie bestätigen die große Bedeutung einer integrierten Online-Offline-Strategie, die Hersteller zusammen mit ihren Handelspartnern fahren sollten. Ein eigener Online-Shop des Herstellers führt nicht nur zu höheren Umsätzen, sondern trägt auch zur Markenbildung bei. Davon profitieren wiederum auch die Händler.
Der Hersteller muss in der Lage sein, die Kundenbedürfnisse auch durch einen eigenen Online-Shop zu bedienen, da die Nachfrage in diesem Bereich nun einmal da ist. Um gleichzeitig aber einen Kannibalisierungseffekt zu vermeiden, sollten die beteiligten Parteien auf Kooperationsmodelle setzen. Das heißt, sie müssen gemeinsam eine Strategie entwickeln und sich beide darüber im Klaren sein, welches Produkt wann, wo und von wem verkauft wird, denn so lässt sich die bestmögliche Positionierung der Marke am Markt erreichen. Einfach gesprochen: Sie müssen eine maximale Kundenorientierung erreichen, ohne dass die jeweiligen Partner zu große Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Ein solches Gleichgewicht ist natürlich schwierig zu erreichen, auf lange Sicht führt aber kein Weg daran vorbei.
Welche Branchen sind in diesem Bereich bereits besonders gut aufgestellt?
Die Entwicklung ist naturgemäß in den Branchen am weitesten fortgeschritten, die von jeher die stärkste Orientierung am Endkunden aufweisen. Neben dem Bereich Fashion gehören auch die Bereiche Consumer Electronics, Büro und Schreibwaren sowie Spielwaren dazu. Aber auch in der Baubranche ist durchaus eine Nachfrage vorhanden – viele Bauträger verlassen sich nicht mehr einfach auf die Preise des Großhandels, sondern wollen ihre Materialien ebenfalls direkt vom Hersteller beziehen.
Das gilt eigentlich für alle untersuchten Branchen. Daher stellt sich heute gar nicht mehr die Frage, ob es sich für Hersteller lohnt, einen Direktvertrieb aufzubauen. Die Frage ist viel mehr, wann die verschiedenen Branchen dieses Geschäftsmodell für sich entdecken. Und beide Seiten, Handel und Hersteller, müssen zusammenarbeiten - nur dann sind sie in der Lage, das volle Potential des Marktes zu erschließen.
Interview: Daniel Stöter, EuroCIS.com