Round and round it goes - Von Töpfen auf der Achterbahn
01.08.2015
Kuwait, Abu Dhabi und bald auch Wien - mit den Rollercoasterrestaurants verbreitet sich ein unvergleichliches systemgastronomisches Konzept. Dort sausen Speisen und Getränke via Achterbahn direkt zum Tisch des Gastes. Kein Wunder, dass sich gerade Shopping-Center-Betreiber darum schlagen, diese Attraktion bei sich aufzunehmen.
Hier läuft alles ein wenig anders ab als in herkömmlichen Restaurants: Über allen Tischen winden sich Schienensysteme wie Achterbahnen von der Decke. Darauf gleiten die Bestellungen, die die Gäste zuvor eigenständig über Tablets aufgegeben haben, in verschließbaren Töpfen und Flaschen zu den Plätzen, wo sie der Gast auch selbst herunter nimmt.
Die Vorrichtungen mit den fertigen Speisen erhalten in der Küche einen Aufkleber aus einem Bondrucker, auf dem Inhalt und Zieltisch stehen, so dass der Gast sein Essen auch erkennt. Die richtigen Tische findet das System über W-lan mit Chips, die in den Möbeln eingelassen sind.
Ziemlich interaktiv, das Ganze. "Genau das ist es, was den Besuch bei uns ausmachen soll", erklärt Richard Jeschke. Er ist Geschäftsführer bei gastronnovation, die die Restaurants im Auftrag der Muttergesellschaft HeineMack GmbH plant und baut. "Diese Interaktion hat sich mein Partner und Geschäftsführer der HeineMack GmbH Michael Mack vorgestellt, als er die Idee hierzu hatte." Dessen Erfahrungen aus der Metallbranche und vielleicht auch der ein oder andere gelangweilte Besuch in Null-Acht-Fünfzehn Gastrobetrieben spielten hierbei wohl auch eine Rolle.
Das Schienensystem funktioniert fast ausschließlich über Schwerkraft. "Nur bei den Loopings wird die Geschwindigkeit elektronisch kontrolliert, damit die Speisen weder zu schnell noch zu langsam werden", so Jeschke. "Wenn die Küche auf der gleichen Ebene ist wie der Gastraum, werden außerdem die Speisen zuvor über ein von uns entwickeltes Steilförderungssystem nach oben auf eine Sammelplattform befördert", ergänzt er.
Bis dieses System marktreif war - eröffnet wurde das erste Restaurant in Nürnberg in 2007 - brauchte es zwei Jahre Entwicklungszeit. "Schließlich sollten die Speisen beim Gast nicht am Ende aussehen wie durch den Wolf gedreht. Und auch Flaschen mussten sich öffnen lassen, ohne überzuschäumen", ergänzt er. Viele technische Voraussetzungen mussten geklärt und der ein oder andere Techniker überzeugt werden. Um ein bisschen Physik führte da kein Weg vorbei. "Hilfe finden wir bei solchen Neuerungen bei Architekten und Wissenschaftlern", so Jeschke.
Das ist dann wohl auch der Grund, warum derzeit zahlreiche Shopping-Center bei der HeineMack GmbH anfragen, um ein Restaurant mit Achterbahn bei sich zu positionieren. "In Zeiten, in denen den Shopping-Centern die Kunden ausbleiben und mehr und mehr Wert auf das Schaffen von Erlebniswelten gelegt wird, bietet sich dieses interaktive Entertainment wunderbar an", so Jeschke. "Allerdings scheitert das häufig an den räumlichen Anforderungen."
Denn die Achterbahnen benötigen eine mindesthöhe von neun bis 11 Metern. "Das Shopping-Center in Abu Dhabi hat in dieser Hinsicht immense Zugeständnisse gemacht, damit das funktionieren konnte", betont er. Doch der Aufwand habe sich gelohnt - den Zahlen nach sei es ein wahrer Anziehungspunkt der Mall.
Bevor die Ableger in den arabischen Ländern eröffnet wurden, hatte das Unternehmen zunächst Bedenken, ob das interaktive Konzept aufgehen würde - denn dort werde viel mehr Wert auf eine gute Bedienung gelegt. "Außerdem dürfen allein stehende Herren nicht mit allein stehenden Frauen an einen Tisch gesetzt werden. Wir wussten nicht, ob die Software das bewältigen würde. All unsere Bedenken waren allerdings umsonst - die Leute lieben es", sagt Jeschke und ist zufrieden.
Besondere Schulung für das Personal
Personal spart der Betreiber nicht durch die aktiven Gäste. Die Tische müssen schließlich abgeräumt und die Anlage gepflegt werden. "Außerdem werden alle Gäste zum Tisch begleitet und dort in das System eingewiesen. Ältere Leute tun sich dabei manchmal etwas schwerer. Aber für Kinder ist allein das Tablet schon ein Highlight. Darauf finden sich neben der digitalen Speisekarte nämlich auch Spiele und Infomaterial", ergänzt Jeschke.
Von der Einweihung bis heute scheint das Konzept voll aufzugehen. Mittlerweile gibt es Ableger in Dresden, Hamburg, dem Europa-Park, Kuwait, Abu Dhabi, Sotschi und bald auch in Wien. Sie werden größtenteils in einer Art Lizensmodell betrieben. Jeschke erläutert: "Für die internationalen Projekte arbeiten wir mit Partnern vor Ort zusammen. Wir sind noch ein relativ kleines Unternehmen und könnten noch kein Franchise auf internationaler Ebene allein stemmen." Welcher Standort der erfolgreichste ist, lasse sich schwer beantworten, so der Geschäftsführer. "Für sich gesehen ist jeder einzelne sehr erfolgreich. Die Besucher nehmen teils lange Anreisewege auf sich, um sich das einmal anzusehen."
Ob die Gäste bei so viel Action überhaupt noch auf die Qualität der Speisen achten? "Wir in Nürnberg - unserem selbst geführten Standort - legen Wert auf biologische Produkte, die preislich auf Augenhöhe mit vergleichbaren Restaurants stehen. In den Units mitten in den Städten lockt dieses Angebot viele Stammkunden an", sagt er und ist sich dennoch sicher: "Schlussendlich steht immer das Erlebnis im Vordergrund."
Damit das Personal die Abläufe dieser Gastronomie bestmöglich beherrscht, wird es schon vor der Eröffnung gründlich eingewiesen. Entweder vor Ort im Restaurant oder im Schulungsrestaurant in Nürnberg. Und auch die Köche müssen ihre Auffassung von herkömmlichen Küchen verwerfen. Die sind nämlich ganz anders aufgebaut als sie es gewohnt sind, da alle Abläufe zum Schienensystem hin ausgerichtet sind.
Mit Ausblick auf mehr
Das Wiener Restaurant soll in diesem Sommer eröffnen - noch stellen sich allerdings ein paar technische Herausforderungen in den Weg. Doch Richard Jeschke ist optimistisch: "Das wird unser Master-Franchise werden. Dieses Modell werden wir dann innerhalb von Europa anbieten."
Autor: Natascha Mörs; EuroCIS Erstveröffentlichung auf iXtenso.com